Die seltsamen Steine vom Passo San Giovanni
 
 

Das interessiert mich doch gar nicht!



 
 

1. Anfahrt:

Wer jemals Urlaub am nördlichen Gardasee gemacht und mit dem Auto hingefahren ist, kennt die Strecke mit Sicherheit, es ist die einzig vernünftige Route, wenn man von Norden her Riva, Limone oder Malcèsine erreichen will, wahrscheinlich haben bereits die Faustkeilhändler in der Steinzeit diese Strecke benutzt:
Man verläßt bei Rovereto Süd die Brenner-Autobahn (Jaja, ich weiß, die gab es in der Steinzeit noch nicht.) und fährt auf der SS 240 über Mori bis nach Tórbole, anders geht es gar nicht. Erst dort hat man wieder eine gewisse Auswahl ( entweder man entscheidet sich für die Gardesana Occidentale nach Limone oder für die Gardesana Orientale Richtung Malcèsine, beides sehr hübsch, aber für das Folgende ganz unerheblich ). Einige Kilometer hinter Mori lag rechts von der Straße vor Jahren noch der "Lago di Loppio", aus dem man inzwischen aber das Wasser abgelassen hat. Jetzt heißt das Ganze dort "Biotopo di Lago Loppio", ist also heute nur noch ein Feuchtbiotop, wo man sich bestenfalls schlammige Füße holen kann. Durch die eigentümliche Vegetation dort ist das Gebiet aber ziemlich markant und kann kaum übersehen werden, selbst wenn man einen ortskundigen, üblicherweise drängelnden, italienischen Autofahrer im Nacken sitzen hat. Kurz hinter diesem "Biotopo" überquert man nun den "Passo San Giovanni" ( oder auch "Nago-Pass" genannt ), man erkennt ihn einerseits am Straßenschild, andererseits an dem Heiligestandbild des Sankt Andreas ( = San Giovanni ), das auf einem Kalksteinfelsen etwa 5 Meter über der Straße, den Paß bewacht. Den Parkplatz dort sollte man benutzen, die lange Schlange der italienischen Autofahrer hinter Ihnen wird dafür dankbar sein. Außerdem kann man in der dortigen "Albergo" gleich einen kühlen Schluck trinken, bevor man sich an die letzte Etappe der Reise macht.
Genau so verlief jedenfalls meine erste Begegnung mit diesem Ort, doch es sollte nicht mein letzter Aufenthalt hier sein. ( Wenn man die Serpentinen von Nago nach Tòrbole herunterfährt, hat man zum ersten Mal einen phantastischen Blick über den Gardasee. Allerdings ist man an dieser Stelle bereits am Passo S. Giovanni vorbeigefahren. Achtung, gleich rechts hinter der Kurve kommt ein Parkplatz mit ausgezeichneter Aussicht, da kann man wenden.)
Da ich begeisterter Fossiliensammler bin, sind mir die hier frei zugänglichen, auffälligen Kalksteinfelsen natürlich sofort ins Auge gesprungen, deshalb beschloß ich, mich an einem der folgenden Tage noch einmal genauer hier umzuschauen. Unglücklicherweise habe ich damit jedoch bis zu meinem vorletzten Urlaubstag gewartet und hatte dann nicht mehr genug Zeit, mich vor Ort genauer zu informieren. Deshalb versuche ich es also auf diese Weise.


Abb. 1: Terrassen


Abb. 2: Steinhaufen


Abb. 3: Ein Mäuerchen


Abb. 4: Nischen mit einem tonnenschweren Monolithen als Dach 


Abb 5: Dasselbe "Bauwerk" von der Seite

Ortsbeschreibung:

Schreiben kann man viel, aber ein Bild erklärt oft mehr als 1000 Worte. Auch wenn ich aus Geschwindigkeitsgründen die Qualität der Fotos stark reduzieren mußte, kann man, wie ich hoffe, immer noch genug erkennen um das Folgende nachzuvollziehen. 
Wenn man vom Parkplatz ( am P. S. Giovanni ) aus die Straße überquert und durchs Gehölz bricht, gelangt man zu der Stelle, die ich unten noch eingehender beschreibe. Etwas die Straße hinunter, in Richtung Nago, gibt es allerdings auch einen einfacheren Weg, wie ich bedauerlicherweise zu spät feststellte.
Die Bilder können den Gesamteindruck dieses Ortes natürlich nur unzureichend wiedergeben. Es ist vielleicht eine etwas unsachliche Bemerkung, aber dieser Platz vermittelte zunächst einen etwas unheimlichen Eindruck. Es war Frühling und die Dämmerung brach bereits früh herein. Es war sehr still, man hörte nicht mal einen Vogel zwitschern.
( Vielleicht waren die auch ja bloß noch in Afrika. )
Dieser ausgesprochen subjektive Eindruck wurde allerdings von meiner Begleiterin geteilt, die sich vehement weigerte, mich am nächsten Tag bei besserem Licht und mit einem Fotoapparat ausgerüstet, noch einmal hierhin zu begleiten. Als ich dann auch noch aus dem Unterholz ein Knacken von Zweigen vernahm, begleitet von einem schweren Schnaufen, wurde auch mir ziemlich mulmig. Es war ein Dachs, der sich auf seinem abendlichen Rundgang befand. ( Das allein war natürlich bereits ein Grund, noch einmal mit dem Fotoapparat zurückzukehren. Oder haben Sie schon mal einen Dachs in freier Wildbahn gesehen? Ich hatte es zuvor jedenfalls noch nicht. )
Die Anwesenheit des Dachses könnte möglicherweise auf das Vorhandensein unterirdischer Hohlräume hinweisen, aber das mag überinterpretiert sein. Jedenfalls hatte er einen guten Grund diesen Ort aufzusuchen, wie mir schnell klar wurde: Der örtliche Jagverein ( Irgendwo hatte ich zuvor das Wort "Cacciatore" = Jäger, im Text eines handgemalten Schildes entdeckt.) hatte große Holzkörbe mit Steinsalzbrocken aufgestellt, darauf hatte er es eindeutig abgesehen.
Vielleicht hängt die gesamte Anlage daher ja ganz profan mit der Jägerei zusammen, keine Ahnung. Oder es ist irgendetwas, das mit Landwirtschaft oder Weinanbau zu tun hat, dafür gab es jedoch dann inzwischen keine Hinweise mehr ( keine Weinstöcke oder sonstigen Nutzpflanzen). Das Objekt auf den beiden Abbildungen unten läßt zudem diese Erklärungen für mich ziemlich unglaubwürdig erscheinen.

Wer immer dieses Gebilde auf den Bildern oben auch errichtet hat, er hatte daran mit Sicherheit schwer zu schleppen.
Die Größenverhältnisse sind auf dem Foto leider nicht besonders gut zu erkennen. Ich hätte mich natürlich gern daneben gestellt, aber wer hätte dann das Foto gemacht ... ?
In den beiden Nischen, die sich auf dem linken Bild erkennen lassen, hätte ein Mensch in gebeugter oder hockender Stellung gut Platz. Der Stein, der dem ganzen als Dach dient, wiegt also sicherlich ein paar Tonnen. Und er liegt ganz offensichtlich auch nicht zufällig dort, irgendjemand hat ihn da "hingelegt".
Das Photo links zeigt außerdem, daß ein Teil der Konstruktion aus kleinen ( im Schnitt gut doppelt faustgroß ) Natursteinen "gemauert" wurde ( ohne Mörtel ).
Mindestens der mittlere rechteckige, große Stein, der die beiden Nischen trennt, schein bearbeitet.

Frage:

Was ist das ?
Mein Reiseführer ( E. Föhrer, Oberitalien, M. Müller Verlag Erlangen, 1996 ) sonst eigentlich recht ausführlich, schwieg sich darüber aus.
Vielleicht weil das Ganze zu unwichtig ist und keine Erwähnung verdient?
Mag sein. Aber ich würd's eben doch ganz gern genauer wissen. Ich bin halt neugierig.
Auch einige in der Gegend wohnende Leute, konnten mir keine Antwort geben, wußten nicht einmal was ich meinte. Weil es einfach nix Besonderes ist? Gerade dann sollte es doch eigentlich kein Problem sein, herauszufinden worum es sich handelt.
An der "Albergo Passo S. Giovanni", dort wo mein Auto parkte, standen einige Schilder, die mich allerdings auch nicht klüger machten. Sie wiesen auf einen "Free Climber"-Kletterpark hin, den man von dort aus sehen konnte, der aber ganz woanders lag als "meine" seltsamen Steine. Ein weiteres wies auf das "Biotopo Lago di Loppio" hin. Ein drittes erzählte eine interessante Geschichte, die möglicherweise auch nichts mit meiner Frage zu tun hat, vielleicht aber auch doch. Auf jeden Fall will ich sie in diesem Zusammenhang keinesfalls verschweigen:
  

In der ersten Hälfte des 15. Jahrh. rangen die Mailänder Visconti mit den Venezianern um die Herrschaft am Gardasee. Die Mailänder Flotte beherrschte den See damals, denn den Venezianern war es nicht möglich, ihre Kriegsschiffe dort aufs Wasser zu bringen: die Mailänder hatten den Fluß Minicio, der vom Südende des Gardasees in den Po fließt, mit einem Damm versperrt.
So kam es im Februar 1439 zu einem schier unglaublichen Kraftakt: Die Venezianer transportierten ihre Flotte vom Etschtal quer über die Berge nach Tòrbole. 2000 Ochsen und Pferde wurden eingesetzt, um 6 Galeonen und 26 Kriegsbarken über den Paß von Nago zu wuchten. Den Steilhang nach Tòrbole hinunter überwand die Flotte an Seilen hängend auf gefällten Baumstämmen und plumpste endlich glücklich in den See. Der immense Aufwand - Dauer: 2 Wochen, Kosten: umgerechnet 1 Million DM - lohnte sich: nach mehreren Seeschlachten waren die Venezianer Herren des Sees, die Flotte der Mailänder wurde vor Lazise versenkt.
( Quelle: E. Föhrer, Oberitalien, M. Müller Verlag Erlangen, 3. Auflage 1996 )


Hat es also möglicherweise irgendetwas mit diesem Unternehmen zu tun? Hier war jedenfalls wahrscheinlich die höchste Stelle, die die Venezianer zu überwinden hatten. Wofür benötigten sie dann aber diese seltsame Steinkonstruktion. Oder war es so etwas, wie die eine Zollstation der Mailänder? Oder ihrer Vorgänger, ist die Anlage vielleicht noch viel älter? Oder jünger?
In den letzten beiden Weltkriegen dürfte dieser Paß ebenfalls von großer strategischer Bedeutung gewesen sein.
Es muß doch jemanden geben, der mir darüber Auskunft geben kann !
Oder etwa nicht?

E-Mail an Uli



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